
Evangelium nach Matthäus 24, 37-44
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Wie es in den Tagen des Noach war, so wird es bei der Ankunft des Menschensohnes sein. Wie die Menschen in den Tagen vor der Flut aßen und tranken und heirateten, bis zu dem Tag, an dem Noach in die Arche ging, und nichts ahnten, bis die Flut hereinbrach und alle wegraffte, so wird es auch bei der Ankunft des Menschensohnes sein. Dann wird von zwei Männern, die auf dem Feld arbeiten, einer mitgenommen und einer zurückgelassen. Und von zwei Frauen, die mit derselben Mühle mahlen, wird eine mitgenommen und eine zurückgelassen.
Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt. Bedenkt: Wenn der Herr des Hauses wüsste, zu welcher Stunde in der Nacht der Dieb kommt, würde er wach bleiben und nicht zulassen, dass man in sein Haus einbricht. Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet.
Hoffnung in hoffnungslosen Zeiten
Luis CASASUS Präsident der Idente Missionarinnen und Missionare
Rom, 30. November 2025 | Erster Adventssonntag
Jes 2,1–5; Röm 13,11–14a; Mt 24,37–44
Wir wissen alle, dass das Wort „Advent“ Ankunft bedeutet, ein Kommen. Es ist ein dynamischer Begriff; unsere Einheit mit Christus ist keine Geschichte, die an einem bestimmten Punkt endet, als ginge es darum, einen Führerschein oder einen Universitätsabschluss zu erwerben. Man sagt im Allgemeinen, es gebe drei Ankünfte Christi: seine Geburt in Bethlehem, die „mittlere Ankunft“, wie sie der hl. Bernhard von Clairvaux nannte – ein unsichtbares Kommen im Herzen – und schließlich die endgültige Ankunft, die unsere Hoffnung auf die Vollendung des ewigen Lebens nährt.
Es ist klar, dass die erste und die letzte Ankunft notwendiger Gegenstand unserer Betrachtung sein müssen, denn sie sind mehr als bloße Ereignisse der Vergangenheit oder der Zukunft. Aber wir tragen eine besondere Verantwortung für die „mittleren Ankünfte“, denn sie sind persönlich und immer anders; sie haben stets einen Inhalt und eine Bedeutung, die uns direkt und unmittelbar mit den göttlichen Personen verbinden.
Der Advent beleuchtet ein Merkmal des Gebets, das bei Jesus Christus besonders sichtbar war: seinen vorbeugenden Charakter, seinen vorbereitenden Sinn, die göttliche Visite aufzunehmen. Unser Gründervater hat uns über diese Dimension des Evangeliumsgeistes belehrt, die uns dazu führt, uns Gott nicht nur in Momenten der Not, der Ohnmacht, der Versuchung oder während der Stürme der Leidenschaften zu nähern, sondern auch in Situationen, in denen wir in unsere gewöhnlichen Tätigkeiten vertieft sind, in der Ruhe oder bei Aufgaben, die so normal waren wie zu Jesu Zeiten – wie die Arbeit auf den Feldern oder am Mühlstein.
Erinnern wir uns an eine bekannte Episode aus dem Leben des heiligen Martin von Tours. Das Ereignis fand um das Jahr 335 statt. Als Mitglied der kaiserlichen Garde wurde der junge Soldat häufig zu Nachtpatrouillen eingeteilt. Auf einer solchen Patrouille im Winter traf er, während er auf seinem Pferd ritt, auf einen halb nackten Bettler. Martin hatte Mitleid mit ihm, zog seinen Mantel aus, teilte ihn in zwei Teile und gab dem Armen die eine Hälfte. In der folgenden Nacht erschien ihm Jesus im Traum, bekleidet mit jenem Mantelteil, der den Armen bedeckt hatte, und sagte zu den Engeln: Seht, Martin, den römischen Soldaten, der noch nicht getauft ist: Er hat mich bekleidet.
Auch wenn uns das Beispiel des hl. Martin sehr speziell erscheinen mag, bringt es doch den unerwarteten und herausfordernden Charakter jeder mittleren Ankunft zum Ausdruck, ebenso wie die Rolle unseres Nächsten als „lebendiges Zeichen“, das uns auf dieses intime Kommen aufmerksam macht.
Kehren wir zur vorbeugenden Dimension des Gebetes zurück: Wir müssen zugeben, dass wir der Vorbereitung auf Ereignisse, die zu besonderen Momenten unseres Alltags gehören, große Aufmerksamkeit schenken – etwa wenn wir Gäste zu Hause empfangen, zu einem Vorstellungsgespräch gehen oder ein Kind in der Familie geboren wird. Wenn wir das aber nicht am Anfang eines jeden Tages tun, obwohl wir wissen, dass wir nicht wissen, was die Vorsehung von uns verlangen wird und wie Schwierigkeiten unsere besten Vorsätze schwächen können, dann ist das ein Beweis für die Schwäche unseres Glaubens.
Das beste Beispiel für dieses Gebet ist jenes Jesu in Getsemani (Mt 26,36–41), bevor er verhaftet wurde. Als er sich zurückzieht, um zu beten, sagt er zu seinen Jüngern: Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.
Dieses Gebet wird nicht mitten in einer Prüfung gesprochen, sondern bevor sie kommt, als geistliche Vorbereitung. Es hat sogar die Bedeutung, für unerwartete Situationen bereit zu sein, die über uns hereinbrechen können, oder aufmerksam zu sein für die feinen Eingebungen des Heiligen Geistes.
Im Garten Getsemani werden die Jünger von Traurigkeit und körperlicher Erschöpfung überwältigt. Trotzdem wagen sie es, auf ihre eigene Stärke zu vertrauen. Kurz zuvor hatte Petrus voller Selbstvertrauen gesagt: Herr, mit dir bin ich bereit, ins Gefängnis und in den Tod zu gehen! (Lk 22,33).
Weil sie das vorbeugende Gebet vernachlässigt haben, ist das geistliche Abwehrsystem der Jünger völlig außer Kraft gesetzt. Ihre Reaktion auf die Krise ist ein Desaster, und – wie bei uns – reagieren sie als Sklaven ihres Charakters und ihrer Instinkte. In dieser Situation sehen wir drei eher traurige Haltungen:
- Gewalt: Petrus zieht ein Schwert und greift einen Diener an. Ein impulsiver, alles andere als geistlicher Akt.
- Flucht: Alle Jünger laufen auseinander und fliehen, als sie sehen, dass Jesus verhaftet wird.
- Verleugnung: Petrus, der am meisten von sich überzeugt ist, leugnet dreimal, Jesus zu kennen.
Es gibt eine überraschende Stelle im Alten Testament, in der wir sehen, wie Nehemia auf dieser vorbeugenden Gebetsweise besteht und in ihr ausharrt (1 Sam 23,1–5):
Als David berichtet wurde, die Philister kämpften gegen Keila und plünderten die Tennen, befragte David den Herrn: Soll ich hingehen und diese Philister schlagen?
Der Herr antwortete: Geh, schlag die Philister und rette Keila!
Doch seine Männer sagten zu ihm: Sieh doch, schon hier in Juda haben wir Angst; wie viel mehr erst, wenn wir nach Keila gegen das Heer der Philister ziehen!
Da befragte David den Herrn noch einmal, und der Herr antwortete ihm: Mach dich auf, zieh nach Keila hinab; denn ich gebe die Philister in deine Hand. Da zog David mit seinen Männern nach Keila; er kämpfte gegen die Philister, brachte ihnen eine schwere Niederlage bei und trieb ihr Vieh weg.
Beim Letzten Abendmahl (Lk 22,31–32) gibt Jesus Petrus ein vollkommenes Beispiel vorbeugenden Fürbittgebets: Simon, Simon, siehe, der Satan hat verlangt, euch zu sieben wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebetet, damit dein Glaube nicht erlischt.
Jesus wusste, dass Petrus fallen, dass er ihn verleugnen würde. Aber das vorbeugende Gebet Jesu zielte nicht darauf, den Fall des Petrus zu verhindern, sondern darauf, dass sein Glaube nicht endgültig „erlischt“. Es war ein Gebet darum, dass Petrus nach seinem Fall die Gnade der Reue empfange, auf seinen Weg zurückfinde und seine Brüder stärken könne.
Der Jünger Christi betet nicht vorbeugend, um Prüfungen zu vermeiden, sondern um die Kraft zu haben, von ihnen nicht zerstört zu werden.
—ooOoo—
Verlieren wir die Botschaft der ersten Lesung nicht aus dem Blick: Das wirklich vorbeugende Gebet eines Propheten wie Jesaja lädt das Volk Juda ein, trotz der ständigen Bedrohung durch die Assyrer mit Gelassenheit und Ausdauer in die Zukunft zu schauen. Es war ebenfalls eine schwierige Zeit, geprägt von Korruption und sozialen Spannungen; es war schwer zu glauben, dass Gott sein Volk nicht verlassen würde, und so wandten sich viele den Götzen zu und vertrauten auf ihre eigene Kraft.
Etwas Ähnliches geschieht mit jedem von uns, auch wenn unsere Zeit und unsere Kultur ganz anders sind: Wir erkennen die Gaben, die wir von Gott empfangen haben, nicht, und deshalb sind wir nicht in der Lage, in Hoffnung zu leben. Es gibt viele Formen des Verlassens der eigenen Berufung, des Nachlassens des Elans angesichts von Schwierigkeiten und, im Kern, wenig Hoffnung.
Der geistreiche englische Schriftsteller G. K. Chesterton (1874–1936) sagte: Hoffnung bedeutet, zu warten, wenn die Lage hoffnungslos ist; in anderen Fällen ist sie überhaupt keine Tugend. Tatsächlich stimmt das vorbeugende Gebet unser Herz darauf ein, die Gabe der Stärke zu empfangen, die unsere Hoffnung wachsen lässt.
Auch in der zweiten Lesung ruft uns der hl. Paulus dazu auf, „aus dem Schlaf aufzuwachen“ – aus dem, was uns am realsten zu sein scheint und doch nur vorübergehend ist, selbst wenn es tiefer Schmerz ist oder angenehmer und verführerischer Komfort. Vergessen wir nicht: Bevor er dem härtesten Moment seines Lebens entgegentrat, zögerte Jesus nicht, zum Gebet Zuflucht zu nehmen: Meine Seele ist zu Tode betrübt. Bleibt hier und wacht mit mir! (Mt 26,38).
Der Schluss des heutigen Evangeliums ist von der Hoffnung des Advent erfüllt. Er mag bedrohlich klingen, wenn das Handeln des Herrn mit dem Verhalten eines Diebes verglichen wird, der uns überraschen will. Doch es handelt sich um eine Ausdrucksweise der damaligen geistlichen Literatur, mit der uns deutlich gemacht werden soll, wie leicht wir die Gelegenheit verpassen können, gerade jetzt gerettet zu werden – das heißt: ein erfülltes Leben zu führen, statt Opfer von Pessimismus oder Enttäuschung zu werden. Das Evangelium ist seinem Wesen nach „Frohe Botschaft“ und lädt uns immer ein, weiter zu schauen.
Wenn Jesus auf die Zeit der Sintflut Bezug nimmt, erwähnt er nicht die Bosheit der Menschen oder ihre Sünden, sondern hebt ihre Unbewusstheit und ihre mangelnde Sensibilität hervor, absorbiert von den Sorgen, Problemen und Schwierigkeiten des Lebens. Genau wie es uns heute ergeht.
Wie es in der ersten Lesung heißt, ist das Leben im Gebet vergleichbar mit der Mühe, einen Berg zu erklimmen, aber die Belohnung ist garantiert: Auf, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn, zum Haus des Gottes Jakobs. Er zeige uns seine Wege. Die Lehre des heutigen Evangeliums handelt nicht nur vom Ende der Zeiten, sondern auch davon, wie wir jeden Tag vorbereitet, mit Glauben und Verantwortung leben sollen.
Das heutige Evangelium beschreibt Momente im Leben Jesu mit seinen Jüngern, in denen sie voller Bewunderung auf die Schönheit des Tempels blicken; doch einmal mehr lässt der Meister sie weiter schauen.
Schließen wir mit einer Geschichte, wenn auch einer eher „weltlichen“, um uns daran zu erinnern, dass das Unerwartete geschieht und nur derjenige ihm mit Frieden begegnen kann, der vorbereitet ist.
In einer großen Stadt nahm das Leben wie gewöhnlich seinen Lauf. Die Menschen gingen zur Arbeit, die Kinder zur Schule, die Läden öffneten ihre Türen. Alles schien Routine, vorhersehbar.
Eines Nachts legte ohne Vorwarnung ein gewaltiger Stromausfall die Stadt für zwei Tage in völlige Dunkelheit. Die Ampeln fielen aus, die Züge blieben stehen, die Kommunikationsnetze brachen zusammen. Viele Menschen blieben in Aufzügen stecken, andere in der U-Bahn. Die meisten waren nicht vorbereitet: Sie hatten weder Taschenlampen noch Wasser noch Notfallpläne.
Einige Familien jedoch, die im Voraus über die Möglichkeit eines Stromausfalls nachgedacht und Kerzen, Batterien und Grundnahrungsmittel besorgt hatten, konnten der Situation mit Ruhe begegnen und sogar anderen helfen. Während viele verwirrt und verzweifelt waren, hatten sie Licht in ihren Häusern und Gelassenheit in ihren Herzen.
In den Heiligsten Herzen Jesu, Mariens und Josefs
Luis CASASUS
Präsident









