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Evangelium und Reflexion

Ein einfacher Blick zum Himmel | Evangelium vom 19. Oktober

By 15 Oktober, 2025No Comments

Evangelium nach Lukas 18,1-8
In jener Zeit sagte Jesus seinen Jüngern durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten: In einer Stadt lebte ein Richter, der Gott nicht fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm. In der gleichen Stadt lebte auch eine Witwe, die immer wieder zu ihm kam und sagte: Verschaff mir Recht gegen meinen Widersacher! Und er wollte lange Zeit nicht. Dann aber sagte er sich: Ich fürchte zwar Gott nicht und nehme auch auf keinen Menschen Rücksicht; weil mich diese Witwe aber nicht in Ruhe lässt, will ich ihr Recht verschaffen. Sonst kommt sie am Ende noch und schlägt mich ins Gesicht.
Der Herr aber sprach: Hört, was der ungerechte Richter sagt! Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern bei ihnen zögern? Ich sage euch: Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen. Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden?.

Ein einfacher Blick zum Himmel

Luis CASASUS Präsident der Missionare Idente

Rom, 19. Oktober 2025 | XXIX. Sonntag im Jahreskreis

Ex 17,8–13; 2 Tim 3,14—4,2; Lk 18,1–8

Im heutigen Evangelium ist das überraschende Gleichnis vom ungerechten Richter keine Allegorie. Natürlich ist der Richter, „der weder Gott fürchtete noch auf Menschen Rücksicht nahm“, in typisch semitischer Weise als Kontrastfigur gezeichnet: Wenn schon ein ungerechter Richter aufgrund von Beharrlichkeit schließlich Recht verschafft, wie viel mehr wird Gott, der gerecht und gütig ist, auf seine Kinder hören!

In jedem Fall liegt der Fokus der Botschaft nicht auf dem Richter, sondern auf der Beharrlichkeit im Gebet.

Dieses Gleichnis sagt uns also NICHT, dass Gott wie ein Richter sei, der sich durch hartnäckiges Bitten überreden lässt, sondern ermutigt uns, zu vertrauen, dass Gott hört und antwortet – auch wenn es manchmal zu dauern scheint. Die Ausdauer der Witwe verändert den Richter nicht; sie zwingt ihn nur zu einem Handeln ohne jedes Mitgefühl. Unser beharrliches Gebet hingegen verwandelt uns und hält uns offen für Gottes Wirken.

Die Witwe steht tatsächlich für uns alle: Wir können uns mit ihrem Schmerz und ihrem Gefühl der Ohnmacht identifizieren und werden ermahnt, ihr Gebet nachzuahmen, Tag und Nacht zu rufen.

Das ist es, was unser Gründervater uns immer lehren wollte, wenn er vom „Zustand des Gebets“ spricht, also vom fortwährenden Gebet. Es ist klar, dass es sehr notwendige Formen des Gebets gibt, die wir aber nicht ununterbrochen praktizieren können. Doch eine der klarsten und poetischsten Beschreibungen dessen, was das unablässige Gebet sein sollte, kann uns helfen. Sie stammt von der hl. Thérèse von Lisieux (1873–1897) in ihrer berühmten „Geschichte einer Seele“: Für mich ist das Gebet ein Aufschwung des Herzens, ein einfacher Blick zum Himmel, ein Schrei der Dankbarkeit und der Liebe, sowohl in der Prüfung als auch in der Freude.

In der schönen französischen Originalfassung: Pour moi, la prière, c’est un élan du cœur, un simple regard jeté vers le ciel, un cri de reconnaissance et d’amour au sein de l’épreuve comme au sein de la joie.

In Wirklichkeit hat die Notwendigkeit, unablässig zu beten, eine wahrhaft mystische Begründung: Denn der Heilige Geist spricht Tag und Nacht zu uns. Das ist im Evangelium und in der Haltung Christi selbst deutlich. Zum Beispiel: Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleibt, den Geist der Wahrheit… Er bleibt bei euch und wird in euch sein (Joh 14,16–17). „Bleiben“ oder „wohnen“ in uns drückt diese beständige und aktive Gegenwart eindeutig aus.

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Die Folgen eines Lebens ohne fortwährendes Gebet werden in der ersten Lesung anschaulich dargestellt, die Israels Kampf gegen die Amalekiter berichtet, die Schlacht von Refidim: Solange Mose die Hände erhoben hielt, war Israel überlegen; ließ er die Hände sinken, hatte Amalek die Oberhand.

Bei uns sind die Folgen nicht kriegerisch, aber ebenfalls schmerzhaft. Es ist nicht nur so, dass wir leichter sündigen können; vor allem nehmen wir die göttliche Vergebung nicht an und machen keinen Gebrauch von ihr. Diese Vergebung ist nämlich dauerhaft, wirklich unablässig; sie bezieht sich nicht nur auf eine konkrete Sünde, sondern auf unsere Mittelmäßigkeit, auf unsere lau(e) Antwort auf die Gnade. Wir wiederholen immer, dass Gottes Liebe vor allem barmherzig ist. Das bedeutet, dass er uns mitten in unserer Schwäche und unserer Sünde liebt… und wir sind immer schwach und sündig.

Seine Liebe zeigt sich vor allem darin, dass er die kleine Flamme unseres Glaubens schützt und bewahrt: Wenn wir sündigen, wenn wir untreu sind, können wir nicht aufhören, an ihn zu glauben; wir erleben nicht, dass er unseren Glauben auslöscht, sondern dass er ihn im Gegenteil vor unserer Ungeschicklichkeit bewahrt, uns immer eine neue Chance bietet, einen neuen Beweis seines Vertrauens.

Selbst nichtchristliche Bekenntnisse haben eine klare Vorstellung vom eminent barmherzigen Wesen der göttlichen Liebe.

Gleich zu Beginn des Ṣalāt, des fünfmal täglichen Gebets, steht folgende Anrufung: Lob sei Allah, dem Herrn der Welten, dem Barmherzigen, dem Erbarmer, dem Herrscher am Tag des Gerichts… Ebenso gibt es ein Gebet, das man jederzeit sprechen kann, um Hilfe zu erbitten und das so lautet: O Allah, du bist der Barmherzigste der Barmherzigen! Vergib mir, leite mich und erbarme dich meiner.

Wir können daraus schließen, dass wir diese Barmherzigkeit wirklich brauchen – sie ist wesentlicher als jede von Menschen kommende.

Wenn wir die göttliche Barmherzigkeit nicht annehmen, werden uns früher oder später Widrigkeiten, Krankheit, unser Charakter oder die Missverständnisse, unter denen wir alle leiden, unweigerlich in einen dieser Zustände ziehen: Traurigkeit, Zorn oder Skepsis. Diese Zustände beschreiben die Verfassung der Seele derer, die nicht unablässig beten. Betrachten wir diese Beispiele:

  • Adam und Eva verbergen sich nach ihrem Ungehorsam in Scham. Ihr fehlender Dialog mit Gott in diesem Moment spiegelt einen geistlichen Bruch wider, der zu Traurigkeit und Exil führt.
  • Kain (Gen 4): Anstatt nach der Zurückweisung seiner Opfergabe Gott im Gebet zu suchen, lässt er sich vom Zorn überwältigen und tötet seinen Bruder. Gott warnt ihn: Die Sünde lauert vor der Tür – doch er sucht nicht Gemeinschaft und Korrektur.
  • Der Apostel Thomas (Joh 20,24–29) war nicht anwesend, als Jesus den Jüngern erschien. Sein Zweifel (Wenn ich nicht sehe… werde ich nicht glauben) spiegelt eine momentane Trennung wider. Jesus lädt ihn ein, seine Wunden zu berühren, und stellt seinen Glauben wieder her.

Gewöhnlich führt uns der Mangel an Geduld zur Entmutigung im Gebet. Wir sind sogar überzeugt, unsere Barmherzigkeit sei unübertrefflich; natürlich halten wir uns für barmherziger als die Menschen um uns – und wahrscheinlich barmherziger als Gott selbst. Wir gleichen jemandem, der ein kurz vor dem Schlüpfen stehendes Ei betrachtet und beschließt, dem Küken zu „helfen“, indem er die Schale von außen aufbricht. Dann verblutet oder ertrinkt das arme Tierchen. Wir sagen (oder denken) oft, Gott lasse sich zu viel Zeit mit der Antwort; in Wirklichkeit erwarten wir aber eine bestimmte, von unserer Logik diktierte Antwort… die nicht kommt.

Selbst wenn wir ehrlich und wohlgesinnt sein wollen, verlieren wir die Geduld angesichts der zermürbenden Langsamkeit mancher Menschen, ihrer rücksichtslosen Unpünktlichkeit oder ihrer hartnäckigen Bindung an die Urteile von jemandem, der in der betreffenden Sache unkundig ist.

Vielleicht behaupten Bibelkenner deshalb, eine passendere Übersetzung dessen, was wir gewöhnlich im heutigen Text lesen – „Ich sage euch: Er wird ihnen schnell Recht verschaffen“ – wäre: „Ich sage euch: Er wird ihnen plötzlich Recht verschaffen, wenn ihr es am wenigsten erwartet.“

Die Vorsehung hat ihre eigene Art zu antworten, die bisweilen sehr subtil ist, wie wir im Buch Rut lesen.

Sie war eine moabitische Frau, verwitwet, und beschloss, ihre Schwiegermutter Noomi nach Betlehem zu begleiten und damit Land und Volk zu verlassen. Eines Tages ging Rut „zufällig“ zum Ährenlesen aufs Feld und gelangte auf das Feld des Boas, eines entfernten Verwandten, der später ihr Mann wurde. Aus dieser Verbindung wurde Obed geboren, der Vater Isais, der Großvater König Davids, und damit ein Vorfahr Christi. Anders gesagt: Aus einer Tat demütiger Treue und einer Reihe von „Zufällen“ bereitete Gott die Genealogie des Messias.

Uns fehlt der Glaube, den göttlichen Plänen zu vertrauen; denn unser eigener Schmerz und der der anderen verfinstert unseren Blick und unser Denken. Wir gleichen dem Apostel Johannes in Kapitel 5 der Offenbarung, wo er weint, weil es scheint, als könne niemand Gottes Plan erfüllen oder Recht schaffen. Doch als er das Lamm sieht, das das Buch aus der Hand Gottes nimmt, versteht er, dass nur Christus das Recht hat, den göttlichen Plan zu vollziehen – weil er durch sein Opfer gesiegt hat. So sagt Christus heute: Wird Gott nicht seinen Auserwählten Recht verschaffen, die Tag und Nacht zu ihm schreien?

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Positiv gesehen lehrt uns das heutige Evangelium: Wenn wir durch das unablässige Gebet Traurigkeit, Zorn und Skepsis überwinden, öffnen sich die Türen der Seele, um uns mit dem göttlichen Willen zu vereinen. Beachten wir, dass dies die Botschaft des letzten Satzes des heutigen Evangeliums ist: Doch wird der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben finden auf Erden? Diese Mahnung lässt mich fragen, ob er bei seiner endgültigen Wiederkunft – oder jedes Mal, wenn er im Laufe des Tages zu mir spricht – mich im Gebetszustand findet, sodass ich mich mit ihm vereinen kann.

Mit anderen Worten: Wer unablässig betet, bleibt in ständigem Kontakt mit Gottes Gedanken, Empfindungen und Plänen und sieht die Ereignisse immer mehr so, wie er sie sieht. Das Gebet hält uns wachsam, wenn sich Bedingungen ergeben, die eine Änderung erlauben, damit die göttlichen Pläne sich erfüllen.

Wie die zweite Lesung sagt, ist eine weitere Folge des kontinuierlichen Gebets ein apostolisches Handeln, das ebenfalls dauerhaft werden kann. So erklärt der hl. Paulus dem Timotheus: Ich beschwöre dich bei seinem Kommen und seinem Reich: Verkünde das Wort; tritt dafür ein, ob gelegen oder ungelegen; überführe, weise zurecht, ermahne – in aller Geduld und Lehre.

Wir sagen oft, ein Zeichen von Reife sei die gelassene Reaktion eines Menschen auf Widrigkeiten. Das bedeutet: den Schmerz anerkennen, ohne ihn zu verleugnen; nicht impulsiv reagieren oder andere beschuldigen; Sinn suchen mitten im Chaos, statt dem Zynismus zu verfallen. Für einen Glaubenden führt – wie bei Ijob – das gereifte, das heißt fortwährende Gebet, nicht nur in „besonderen“ Momenten, dazu, seine Lauterkeit und seine intime Beziehung zu Gott zu bewahren – anders als bei seinen Freunden. Er lebte im Gebet; darum konnten die schrecklichen Unglücke, die ihn trafen, seinen Glauben nicht zerstören.

Wir alle suchen Gerechtigkeit im Leben. Wenn du spürst, dass deine Rechte verletzt werden, ist der instinktive Reflex, Gerechtigkeit zu fordern. Wir suchen Gerechtigkeit nicht nur für uns selbst, sondern auch für unsere Lieben und besonders für die Schwächsten in der Gesellschaft.

Vergessen wir jedoch nicht, dass die Fülle der Gerechtigkeit in dieser Welt nicht verwirklicht wird. Wie der hl. Ambrosius sagte: Was ist der Tod schließlich anderes als die Beerdigung des Lasters und das Aufblühen der Tugend?

In den Heiligsten Herzen Jesu, Mariens und Josefs,

Luis CASASUS

Präsident